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Kurzbiographie

(English Version)

My Soul is in the Machine *

Conlon Nancarrow und die Wiederentdeckung des 

Player Pianos

Jürgen Hocker[1], Bergisch Gladbach.

Am 10. August 1997 starb in Mexico der musikalische Einsiedler und Player Piano - Komponist Conlon Nancarrow im Alter von 84 Jahren. Noch vor wenigen Jahren fast unbekannt, gilt er heute als einer der bedeutendsten Komponisten und Wegbereiter zeitgenössischer Musik. Für György Ligeti ist er gar der wichtigste Komponist der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts. Dabei entfaltet sich Nancarrows Größe und Bedeutung in seiner Beschränkung: der Beschränkung auf ein Instrument - das Player Piano -, der Beschränkung auf eine musikalische Variable - die Zeitverhältnisse -, sowie der Beschränkung auf meist kurze Kompositionen - die Gesamtdauer seiner Studies for Player Piano umfasst nicht einmal sechs Stunden. Und dennoch umspannen Nancarrows Studies einen musikalischen Kosmos. Neben die 'melodische' Polyphonie Johann Sebastian Bachs tritt die 'temporale' Polyphonie Nancarrows. Seine Studies for Player Piano gehören inzwischen zu den herausragenden Klavierkompositionen des zwanzigsten Jahrhunderts. 

Jugend und erste Kompositionen

Conlon Nancarrow wurde am 27. Oktober1912 in Texarkana in den USA geboren. Schon in seiner Jugend zeigte er einen ausgeprägten Individualismus, eine Eigenart, die er zeitlebens beibehalten sollte. Nach dem Besuch der High School in Texarkana ging er auf Drängen seines Vaters - der einmal sagte: „Mache erst eine ordentliche Ausbildung, und dann kannst Du tun was Du willst“ - zur Vanderbuilt University nach Nashville und begann ein Ingenieurstudium, das er aber nach wenigen Wochen wieder abbrach. Als er einmal zu spät zum Unterricht kam, meinte sein Lehrer, bei ihm käme niemand zu spät. Nancarrow sagte "o.k", machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Unterrichtsraum wieder.

                 

                              Jugendbild Nancarrows

Nancarrow, der schon früh großes musikalisches Talent zeigte und Trompete spielen lernte - Versuche, das Klavierspiel zu erlernen blieben erfolglos - schrieb sich  in Cincinnati im Musikkonservatorium ein. Dort lernte er, gerade erst 19 Jahre alt, die 17-jährige Musikstudentin Helen Rigby kennen, und beide heirateten kurz darauf. Bezeichnend war, dass Nancarrows Eltern erst später durch seine Frau Helen von dieser Verbindung erfuhren. Die Ehe war jedoch nicht von Dauer; bereits nach wenigen Jahren trennte man sich wieder.

                   

                        Nancarrows erste Frau Helen                           

Aus dieser Zeit stammen seine frühesten erhalten gebliebenen Kompositionen. Nancarrow, der immer in der Gegenwart lebte und Vergangenes gerne verdrängte, hatte in den späteren Jahren seine Jugendwerke praktisch vollständig vergessen. Als einige davon in den achtziger Jahren im American Music Center wieder auftauchten, meinte er dazu: 

Freunde schickten mir die Kopie einer meiner Partituren, die sie im American Music Center aufgefunden hatten - Sarabande und Scherzo für Oboe, Fagott und Klavier. Ich vermute, dass sie von mir stammen, denn es ist meine Handschrift und meine Signierung; aber ich habe keine Erinnerung daran außer einem vagen Gefühl, dass mir etwas im Scherzo vertraut vorkommt. Als ich in Cincinnati war, komponierte ich einige Stücke. Mag sein, dass dieses eines davon ist, aber wie kam es in das American Music Center?  

Einige Wochen darauf schrieb er an einen Freund:

Ich bekam gerade einen Brief vom American Music Center, in dem man mir mitteilte, jemand aus Deutschland habe meine Stücke Sarabande und Scherzo aufgefunden. Man wollte wissen, ob ich eine Kopie  besitze, denn sie wollten nicht dafür verantwortlich sein, wenn dieses kostbare Juwel verloren ginge. Ich antwortete ihnen, dass es mich nicht sonderlich interessieren würde, ob es verloren geht oder nicht.

Nach jahrzehntelanger Beschäftigung mir dem Player Piano fiel es Nancarrow schwer, seine eigenen Jugendwerke, die noch für menschliche Interpreten geschrieben waren, zu akzeptieren:

Welchen Wert meine (frühen) Stücke auch haben mögen - die Player Piano-Kompositionen sind sicherlich zehnmal bedeutender als die Vor-Player Piano-Stücke.

                                              

                                                     Conlon Nancarrow, 1931/1932

22-jährig ging Nancarrow nach Boston ans Malkim Konservatorium, zu einer Zeit, als auch Arnold Schönberg dort lehrte. Nancarrow konnte sich später jedoch nicht erinnern, jemals bei Schönberg eine Vorlesung gehört zu haben. Er studierte Kontrapunkt bei Sessions und nahm einige Privatstunden bei Slonimsky und Piston. Seine große Liebe galt dem Jazz - er spielte Trompete in verschiedenen Jazz- und Tanzkapellen.

Kampf gegen den spanischen Faschismus und Emigration

Nancarrow, der wie viele Intellektuelle der damaligen Zeit vom kommunistischen Gedankengut beeinflusst war, meldete sich als 25-jähriger freiwillig zur Lincoln Brigade, um in Spanien gegen das faschistische Franco-Regime zu kämpfen. Es ist wiederum bezeichnend, dass während seiner zweijährigen Abwesenheit weder seine Frau Helen noch seine Eltern ein Lebenszeichen von ihm erhielten. Auf die Frage, ob er in dieser Zeit die spanische Sprache oder die spanische Kultur kennen gelernt habe, meinte er nur:

Ich bin nicht zu einer Kunstexkursion nach Spanien gegangen. Die meiste Zeit lag ich im Schlamm und musste von einer Front an die andere.

Während seiner Abwesenheit erschienen drei seiner Kompositionen - Prélude, Blues und Toccata - in der von Henry Cowell herausgegebenen Zeitschrift "New Music Edition". Obwohl Nancarrow diese Kompositionen später für nicht sehr bedeutend hielt, erregten sie damals doch Aufsehen. Aaron Copland schrieb 1938 in "Modern Music": 

Conlon Nancarrow ist für mich ein völlig neuer Name. Ich begegnete ihm zuerst im Januarheft 1938 von "New Music", das eine Toccata für Violine und Klavier sowie ein Prélude und einen Blues für Klavier enthielt - alles von Mr. Nancarrow. Seine Biographie ist kurz: 1912 in Texarkana, Arkansas geboren. Studierte für zwei Jahre am Cincinnati Konservatorium. Fuhr 1936 nach Europa. Seit seiner Rückkehr keine Arbeit. Ging nach Spanien, um gegen den Faschismus zu kämpfen. Es bleibt nur zu hoffen, dass er gesund heimkehrt. Sonst hat Amerika einen talentierten Komponisten verloren. In der Tat zeigen diese kurzen Kompositionen eine bemerkenswerte Sicherheit, dazu einen hohen Grad an Erfindungskraft und Phantasie, die ihm sofort einen Platz unter unseren talentierten jüngeren Komponisten einräumt.

Bereits Nancarrows Jugendwerke stellten extreme Anforderungen an die Interpreten. So verlangt z.B. der Beginn der Toccata für Klavier und Violine im Klavierteil die ca. 200malige Wiederholung des gleichen Tones, zum Teil oktaviert und „As fast as possible“- so schnell wie möglich. Da dies unweigerlich in einem Muskelkrampf des Pianisten endet, hat Nancarrow die Klavierstimme in späteren Jahren auf eine Notenrolle gestanzt, und das Player Piano führt die immensen Schwierigkeiten nun klaglos aus. Die nicht minder anspruchsvolle Violinstimme der Toccata kann hingegen heute von guten Geigern gespielt werden.

1939 gelang Nancarrow unter abenteuerlichen Umständen die Flucht aus den Bürgerkriegswirren Spaniens, und er kehrte in die USA nach New York zurück. Dort wurde erstmals eine seiner Kompositionen - ein Septett - öffentlich aufgeführt, eine Aufführung, die für Nancarrow zu einem Schlüsselerlebnis werden sollte und die nach seiner Ansicht in einem Desaster endete.

Das Septett wurde tatsächlich einmal in New York aufgeführt, als ich  aus Spanien zurückkam - ich glaube es war 1941. In jedem Fall war es ein Stück, das gespielt wurde! Es war nicht besonders schwierig. Es gab einen Dirigenten. Die "League of Composers" verfügte über sehr gute Musiker. Sie kamen von den dortigen Rundfunksendern. Es gab zwei Proben. Zur einen Probe kamen vier Musiker. Zur zweiten Probe kamen drei andere und einer der Musiker, der schon bei der ersten Probe anwesend war. Es gab also keine Sitzung mit der ganzen Gruppe. Die sieben Stimmen des Septetts waren zwar  unabhängig notiert, aber immer im Taktsystem. Der Takt war da - während des ganzen Stückes. Und als sie dann spielten, kamen bereits zu Beginn einige Instrumente aus dem Takt. Während des ganzen Stückes waren sie aus dem Takt. Alles war verloren - es war ein absolutes Desaster. Nun, seit ich Musik schreibe träume ich davon, die Interpreten loszuwerden.

Als Nancarrow einen neuen amerikanischen Pass beantragte - er hatte seinen alten in den spanischen Kriegswirren verloren - musste er feststellen, dass er in den USA wegen seiner politischen Aktivitäten zu einer unerwünschten Person geworden war:

Als ich zurückkam, wollte ich in den Staaten bleiben, und ich beantragte einen Pass - ich weiß nicht mehr für wohin. Aber ich bekam keinen Pass. Man verweigerte ihn mir, weil ich ein unerwünschtes „Etwas“ geworden war, ...ich habe das Wort vergessen. Ich erinnere mich nicht einmal mehr daran, was sie sagten. Auf jeden Fall aber sagten sie nein. Sie sagten: "Sie werden nie wieder einen Pass bekommen." Ich hatte nun nur die Wahl zwischen Kanada und Mexico, und ich wäre nicht im Traum nach Kanada gegangen - es gefiel mir nicht und war außerdem zu kalt. In Mexico gab es eine große spanisch-republikanische Exil-Gemeinschaft, und die mexikanische Regierung öffnete gerade die Tore.

Ende 1940 emigrierte Nancarrow nach Mexico, wo er die nächsten Jahrzehnte in völliger Abgeschiedenheit quasi als musikalischer Eremit leben sollte. Dort dürfte seine dreisätzige Sonatina für Klavier entstanden sein, die wiederum extreme Anforderungen an die Pianisten stellt.

Die Sonatina war meine letzte Komposition für Solo-Klavier. Sie ist zwar ein wenig schwierig zu spielen, aber im Grunde doch einfach. Aber sie ist nicht sehr "pianistisch", und Pianisten lieben aus gutem Grunde pianistische Stücke. Ich vermute, dies ist der Grund, warum sie sie nicht aufführen wollen... .Es war das erste Stück, das ich gestanzt habe. Ich habe damit das Stanzen geübt, bevor ich mit anderen Dingen begann. Ich habe das Gefühl, dass alle Pianisten entmutigt wären, wenn sie die Player Piano-Version hören würden. Wahrscheinlich könnte es niemand außer Horowitz in dieser Geschwindigkeit spielen, aber selbstverständlich würde dieser damit nichts zu tun haben wollen.

Die Notenrolle für Player Piano entstand Ende der vierziger Jahre:

Ich wollte meine Musik hören. Ich habe sie niemals gespielt gehört. Manche Komponisten sind auch Pianisten und können ihre Musik zumindest auf dem Klavier spielen; aber ich kann nicht einmal das, weil ich kein Pianist bin.

Nancarrows Weg zum Player Piano

Um 1945 startete Nancarrow nochmals den Versuch einer Live-Aufführung einer seiner Kompositionen. Dies sollte jedoch für viele Jahrzehnte der letzte Versuch sein:

In den vierziger Jahren hatte ich ein Erlebnis hier in Mexico. Es gab dort eine Konzertserie mit zeitgenössischer Musik - mehr oder weniger zeitgenössischer Musik. Rodolfo Halffter, der für diese Serie zuständig war, war einer meiner Freunde, und er fragte mich, ob ich nicht etwas für diese Konzerte schreiben wolle. Ich tat es - ich schrieb ein Trio für Klarinette, Fagott und Klavier. Man darf nicht vergessen - dies ist viele Jahre her, und das Stück war nichts besonderes, so im Stil von Bartók...  Ich ging zur ersten Probe. Ich kannte den Pianisten recht gut, und später erzählte er mir, der Fagottist und der Klarinettist hätten gesagt, sie könnten das Stück nicht spielen, weil das Publikum denken würde, sie würden falsche Noten spielen. Es waren harmonische Fehler! Es war nicht sehr kompliziert, aber sie spielten es nicht. Ich habe heute noch das Programmheft, das für die Aufführung vorgesehen war. Die temporalen Aspekte waren nicht sehr einfach, ein bisschen "tricky", aber die Ausflüchte, die sie machten, bezogen sich nur auf die Harmonien. Sie wollten nicht, dass die Leute dachten, sie würden falsche Noten spielen.

Von da an sann Nancarrow ernsthaft darüber nach, wie er seine komplexe Musik auch ohne Interpreten verwirklichen könnte. Er erwarb in Mexico ein Player Piano, ein Instrument, das er bereits aus seinem Elternhaus kannte, und er reiste 1947 nach New York - es sollte übrigens für 35 Jahre die einzige Unterbrechung seines mexikanischen Exils sein - um sich dort eine alte Stanzmaschine für Player Piano-Lochstreifen nachbauen zu lassen. Das „Original“ der Stanzmaschine hatte er sich von dem bedeutenden Notenrollen-Arrangeur Lawrence Cook (QRS) ausgeliehen. In New York schloss er auch seine zweite Ehe mit Annette Margolis, einer bildenden Künstlerin, die zu dem Kreis der Muralisten Diego Rivera und Orozco gehörte, und die er einige Jahre zuvor in Mexico kennen gelernt hatte.

                                      

                                Conlons zweite Frau Annette Margolis mit ihren zwei Söhnen

Um 1949 entstand seine erste Komposition für Player Piano, die Study for Player Piano No. 3a. Nancarrow nennt alle seine Kompositionen für Player Piano nur Studies, und die Nummerierung entspricht nur ungefähr der Reihenfolge ihrer Entstehung. Study No.3a ist der erste Satz der inzwischen legendären Boogie-Woogie-Suite, die in hohem Maße vom Jazz beeinflusst ist. In der von Nancarrow gewünschten rasenden Geschwindigkeit ist dieses Stück von Menschenhand nicht spielbar. Die Unspielbarkeit seiner Player Piano-Kompositionen war für Nancarrow jedoch niemals Selbstzweck:

Ich schreibe nur ein Stück Musik. Und es geschieht von selbst, dass viele dieser Stücke unspielbar sind. Ich habe nicht die geringste Absicht, Stücke unspielbar zu machen. Einige wenige meiner Stücke können sogar ganz leicht gespielt werden - einige wenige.

Eines der beiden Ampico-Player Pianos der Klaviermarke Marshall&Wendell mit entfernter Frontseite. Foto: Jürgen Hocker

Das Player Piano, das häufig auch als elektrisches Klavier bezeichnet wird, enthält als einzigen elektrischen Baustein einen Motor, der eine Vakuumpumpe antreibt. Alle anderen Steuerungen und Funktionen werden mit Hilfe von Vakuum ausgeführt. In einem Player Piano befinden sich bis 88 kleine Blasebälge - ein Balg für jeden der 88 Klaviertöne. Soll nun ein Ton angeschlagen werden, so wird der entsprechende Balg - über einen Befehl von der Notenrolle - luftleer gesaugt. Der zuvor geöffnete Balg klappt zu, und diese Bewegung wird auf den hinteren Teil der Klaviertasten übertragen, d.h. ein Ton wird angeschlagen. Durch Erhöhung des Vakuums lässt sich ein Balg schnell leer saugen - es erklingt ein lauter Ton - oder der Balg wird durch geringes Vakuum langsam leer gesaugt - dann erklingt der Ton leise. Auch der Lochstreifen wird über einen entsprechenden Lesekopf (Gleitblock) mit Hilfe von Vakuum abgelesen.

      

Notenrollenkasten eines Selbstspielklaviers. Die Notenrolle (oben) wird über den Gleitblock (Mitte) gezogen und auf der unteren Spule aufgerollt. Der Gleitblock enthält etwa 100 Öffnungen, die durch die Notenrolle zum Tonanschlag freigegeben werden. Der Luftimpuls wird durch die unten sichtbaren Leitungen zu den Tonventilen geleitet. Links: Gleitblock ohne Rolle, rechts mit Rolle. Foto: Heinrich Mehring.

1971 - zwanzig Jahre nach der Trennung von Annette Margolis - heiratete Nancarrow in Mexico City die Japanerin Yoko Sugiura Yamamoto. Im gleichen Jahr wurde David Macoto (Mako) geboren, und Nancarrow, der bislang sehr zurückgezogen gelebt hatte, wurde zu einem treu sorgenden Familienvater. Bis zu seinem Tod lebte er mit Yoko und Mako in enger Verbundenheit.

Dennoch lebte Nancarrow 30 Jahre in musikalischer Isolation. Bis in die 50er Jahre hatte er noch die wichtigsten Musikzeitschriften abonniert, um wenigstens über die aktuellen musikalischen Entwicklungen informiert zu sein. Wegen  der Unzuverlässigkeit des mexikanischen Postsystems bestellte er die Zeitschriften jedoch wieder ab, so dass er später keinerlei Kontakt zur internationalen Musikszene mehr hatte.

Nancarrows frühe Werke sind nicht nur vom Jazz beeinflusst - einige zeigen auch Anklänge an die spanische Folklore, wie z.B. die Study No.12, die viele Elemente des Flamenco enthält. Ein Kritiker meinte einmal, es sei ein Mysterium, wie es Nancarrow gelingt, mit einem mechanischen Klavier eine solch emotionale Musik zu machen. Als einmal ein Freund bemerkte: "His soul is in the machine", meinte Nancarrow:

Ja, meine Seele ist in der Maschine - dies ist eine seltsame Art es auszudrücken, aber es ist grundsätzlich wahr. Die Studies wurden für Player Piano geschrieben und sie sollten auf einem Player Piano gespielt werden.

Es gibt mehrere Komponisten, die einige meiner Stücke arrangieren wollen...  Aber ich bin darüber nicht sehr glücklich...  Selbstverständlich  erhalten sie mehr Farbe, und für die meisten Zuhörer ist die Idee einer live-Aufführung eine große Attraktion. Im allgemeinen bevorzuge ich aber das Original.

Musikalische Wurzeln - komplexe Tempoverhältnisse

Bei dem Versuch, Nancarrows musikalische Wurzeln und Vorbilder zu ergründen, ist ein Einblick in seine umfangreiche Schallplattensammlung aufschlussreich: Vorwiegend Schellackplatten mit ethnischer Musik, darunter z.B. nicht weniger als sechzehn Alben aus Afrika, Aufnahmen aus Arabien, Cuba, China, Indonesien, Bali, Sumatra, Java, Haiti, Brasilien u.s.w. Daneben eine umfangreiche Jazz-Sammlung, vorwiegend mit Aufnahmen von Louis Armstrong, Jelly Roll Morton und Bessie Smith. Schwerpunkte bei der sogenannten klassischen Musik sind Bach, Strawinsky und Bartók. Das 19. Jahrhundert mit Komponisten wie Mozart, Beethoven, Schubert oder Brahms fehlt vollständig und scheint für Nancarrow überhaupt nicht existiert zu haben.

Als 18jähriger hörte er erstmals Strawinskys Frühlingsopfer:

Das war eine echte Offenbarung. Damals hörte ich praktische keine zeitgenössische Musik, und plötzlich wurde ich mit dem Frühlingsopfer konfrontiert - ich war geradezu überwältigt. Es war in Cincinnati. Ich hörte es dort in einem Konzert, und es eröffnete sich mir eine neue Welt.

1983 schreibt er an einen Freund:

Ich wünschte, Du könntest Ligetis zweites Streichquartett hören. Für  mich ist es ein direkter Nachkomme von Bartóks viertem, einem der Höhepunkte der Musik unseres Jahrhunderts...   Ich weiß eigentlich gar nicht, warum ich immer gesagt habe, Strawinsky habe den wichtigsten Einfluss auf meine Musik gehabt. Abgesehen davon, dass er einer meiner Lieblingskomponisten ist, erinnert meine Musik überhaupt nicht an die seine. Aber meine Musik erinnert an Bartók. Ich glaube, Strawinskys Einfluss beruhte hauptsächlich auf seinen Ideen.

Bei Nancarrow haben die Zeitverhältnisse absolute Priorität gegenüber Melodie und Harmonie. Er bevorzugt für seine komplexen Werke die Kanonform - vergleichbar mit der Fugenform bei Bach - und die „Melodie“ dient ihm als Hilfsmittel, um die Tempoverhältnisse in seinen Kompositionen deutlich hörbar zu machen.

Wenn man einen Kanon benutzt, wiederholt man die gleiche Melodie. Deshalb braucht man darüber nicht mehr nachzudenken und man kann sich auf die  temporalen Aspekte konzentrieren.  Man vereinfacht das melodische Element und man kann den Tempoverhältnissen besser folgen.

Von entscheidendem Einfluss auf Nancarrows musikalische Entwicklung war die Lektüre von Henry Cowells Buch "New Musical Resources" - Neue musikalische Quellen. Darin beschreibt Cowell komplexe Tempoverhältnisse, und er schlägt zur Realisierung dieser unspielbaren Musik das Player Piano vor. Nancarrow meinte hierzu:

Seit ich komponiere, habe ich immer mit Tempoverhältnissen, Rhythmen u.s.w. gearbeitet. Und dieses Interesse wuchs ständig. Als ich dann Cowells Buch las, war dies ein großer Schritt  nach vorne. Mir erzählte einmal jemand - ich vergaß wer es war - Cowell habe immer über diese Dinge wie Polyrhythmus und so weiter gesprochen, aber weder er noch Ives benutzten jemals Player Pianos, welches der ideale Weg gewesen wäre, diese Dinge zu realisieren. Es überrascht mich sehr, dass er es niemals tat. Ich habe Cowell ein einziges mal getroffen. Er bat mich um Tonbänder mit meiner Musik und ich schickte sie ihm. Seitdem habe ich nie mehr etwas von ihm gehört.

Als Beispiel soll hier Nancarrows bekannteste Player Piano-Komposition dienen, Study No. 21, der sogenannte "Canon X". Hierbei handelt es sich um einen streng zweistimmigen Kanon. Die erste Stimme beginnt in der tiefen Lage, langsam, mit etwa 4 Anschlägen pro Sekunde. Kurz darauf folgt die zweite Stimme im Diskant mit der unspielbaren Geschwindigkeit von fast 40 Tönen  pro Sekunde. Nun wird die langsame Stimme kontinuierlich schneller, während die Geschwindigkeit der schnellen Stimme abnimmt. Etwa in der Mitte der Komposition treffen sich die Geschwindigkeiten. Am Ende erreicht die ursprünglich langsame Stimme die atemberaubende Geschwindigkeit von etwa 120 Anschlägen pro Sekunde.

Beginn der Study No. 21. Die tiefe Stimme beginnt mit etwa 4 Anschlägen pro Sekunde. Kurz darauf setzt die zweite Stimme mit ca. 40 Anschlägen pro Sekunde ein.

Etwa in der Mitte der Study No. 21 sind die Stimmen gleich schnell.

Am Ende der Study No. 21 hat die ursprünglich langsame Stimme eine Geschwindigkeit von über 120 Anschlägen pro Sekunde erreicht. Damit die langsame Stimme hörbar bleibt, wurde sie bis 5-fach oktaviert.

 

Modifizierung der Klavierhämmer

Nancarrow hat seine Player Pianos in vielfältiger Weise modifiziert. So hat er z.B. die Klavierhämmer präpariert, um einen cembaloähnlichen klaren Klang zu bekommen und damit die Transparenz seiner vielschichtigen Kompositionen zu erhöhen.

Am Anfang versuchte ich verschiedene Möglichkeiten. Das erste war eine sogenannte Mandolinen-Einrichtung. Sie besteht aus einem Holzstab mit einer Menge kleiner Lederstreifen, an denen Metallteile befestigt sind, und die vor den Saiten hängen. Man kann diesen Holzstab herablassen oder hochziehen, und mir gefiel die Idee, sowohl einen normalen als auch einen modifizierten Klavierklang zur Verfügung zu haben. Unglücklicherweise verknäuelten sich die Lederstreifen - besonders bei lautem Spiel. Dann tränkte ich die Hämmer mit Lack, um den Filz zu härten. Das war nicht schlecht, aber es war nicht das, was mir vorschwebte. Ich versuchte verschiedene andere Wege und entschied mich dann für folgendes: bei einem Klavier wurden die Hartholzhämmer nach dem Entfernen des Filzes mit Blechstreifen überzogen, und bei dem anderen Klavier wurden die Hammerfilze mit Lederstreifen überzogen, die ihrerseits kleine Metallnägel enthielt wie sie bei Polstermöbeln verwendet werden.

                             

                                Hammerleiste (ausgebaut) von Nancarrows Player Piano. Foto: Jörg Borchardt.

Der einzige Versuch Nancarrows in Mexico, aus seiner Anonymität herauszutreten und seine Player Piano-Musik der Öffentlichkeit vorzustellen, verlief wenig erfolgreich. Unter großem Aufwand schaffte er 1962 seine beiden Player Pianos in den Konzertpalast Bellas Artes in Mexico City, und die wenigen Besucher, die zu seinem Konzert kamen, waren seine Freunde, die seine Musik sowieso schon kannten. Seitdem war Nancarrow nicht mehr bereit, seine Instrumente für Konzerte zur Verfügung zu stellen.

Er meinte einmal:

Üblicherweise wünschen sie mich und ein Klavier, was außerhalb jeglicher Diskussion ist. ..

Auch der Aufführung seiner Kompositionen durch ein anderes geeignetes Player Piano stand er lange Zeit skeptisch gegenüber, und auf eine Anfrage in den 70er Jahren aus Europa hin äußerte er sich ein wenig amüsiert:

Ich hoffe, er denkt nicht an ein Taschenklavier, oder noch schlimmer, wie in dem Brief, den ich gerade aus Schweden erhielt, in dem ich eingeladen wurde, selbst zu spielen. Ich denke nicht im Traum an eine "live"-Aufführung - selbst hier (in Mexico) nicht. Ich tat es einmal vor zwanzig Jahren - und ich habe es gehabt. Ich glaube, es würde einfach nicht funktionieren...  Ich benötigte etwa ein Jahr, um die Klaviere so einzurichten, wie ich sie haben wollte. Nein, es ist zu kompliziert. Trotzdem - wenn meine Werke doch jemals aufgeführt werden sollten, so wäre ich gerne dabei, um zu sehen, wie sie gespielt werden (ein Wunsch, der später in Erfüllung gehen sollte).

Erst 1986 ließ sich Nancarrow davon überzeugen, dass ein richtiges Player Piano in einem Konzert - quasi auf der Bühne - doch einige Vorteile gegenüber einer Tonbandwiedergabe hat: Der Ablauf des Lochstreifens, die Bewegung der Tasten und der originale Klang eines Klaviers oder Flügels führen zu einem wesentlich sinnlicheren Musikerlebnis. Nancarrow unternahm mit dem Autor dieses Beitrags und dessen nach den Angaben des Komponisten modifiziertem selbstspielenden Ampico-Bösendorfer Flügel mehrere Konzertreisen, u.a. nach Amsterdam, Köln, Berlin, Hamburg, Wien und Paris, und er wurde überall mit „standing ovations“ gefeiert.

Nancarrows Kompositionstechnik

Nancarrows Kompositionstechnik ist extrem zeitaufwendig. Er benutzte einen ungewöhnlichen dreistufigen Prozess.

Üblicherweise plane und schreibe ich die gesamte Studie, bevor ich mit dem Stanzen beginne. Ich schreibe es jetzt in einer Weise, dass niemand es wirklich lesen kann; die ersten zwanzig Studies habe ich allerdings in Standard Notenschrift notiert.... Alles war additiv, bezogen auf eine kleinste Einheit. Heute verwende ich in den meisten meiner Studies irrationale Zeitverhältnisse. Natürlich weiß ich mehr oder weniger was ich vorhabe, und ich habe einen Gesamtplan des Stückes, bevor ich anfange.

Zuerst markiere ich auf einer leeren Papierrolle alle Tempoverhältnisse, wobei ich als Maßeinheit den kleinsten geplanten Notenwert benutze. Ich zeichne die Skalen der gesamten Komposition, vom Anfang bis zum Ende, auf eine leere Papierrolle. Es ist sehr exakt, so exakt wie es mir möglich ist...  Dann übertrage ich die gezeichneten Proportionen von der Notenrolle auf Notenpapier. Ich lege die Tempoverhältnisse vor den Tonhöhen fest. Die markierte Notenrolle zeigt noch keine Rhythmen, sondern nur Serien von sechzehntel Noten oder was auch immer

Ähnlich den konsonanten und dissonanten Klängen unterscheidet Nancarrow zwischen konsonanten und dissonanten Geschwindigkeitsverhältnissen. 

                                                                

Nancarrows Stanzmaschine. Foto: Jürgen Hocker

Ein Grund für meine Arbeit mit Player Pianos war mein Interesse an dissonanten Geschwindigkeitsverhältnissen. Temporale Dissonanz ist fast so schwer zu definieren wie tonale Dissonanz. Ich würde ein Geschwindigkeitsverhältnis von 1 zu 2 nicht als dissonant definieren, würde aber ein Verhältnis von 2 zu 3 als mäßig dissonant bezeichnen; und weiter und weiter bis zum Extrem der irrationalen Geschwindigkeiten. Die Komposition mit zwei Stimmen im Verhältnis 2 zu Wurzel 2 ist wahrscheinlich die dissonanteste  von allen, weil sie aus zwei Stimmen besteht, die niemals zusammenfinden...

1971  heiratete Nancarrow in Mexico City die japanische Archäologin Yoko Sugiura Yamamoto, mit der er einen Sohn Mako hatte.

                                        

        Conlon, Yoko und Mako

 

Kompositionen für zwei Player Pianos - Probleme bei der Synchronisierung

Nachdem Nancarrow die Möglichkeiten eines Player Pianos ausgelotet hatte, begann er in den siebziger Jahren mit Kompositionen für zwei Player Pianos. Es entstanden die Studies No. 40, 41, 44 und 48, die ohne Zweifel zu den Höhepunkten zeitgenössischer Klaviermusik zählen. Dennoch kehrte Nancarrow wieder zu einem Player Piano zurück, weil es ihm nicht gelang, zwei Instrumente exakt zu synchronisieren.

Ich wünsche mir zwei synchronisierte Klaviere, so dass ich alles exakt ausarbeiten kann und alle Möglichkeiten habe. Ich weiß, dass die Synchronisierung theoretisch möglich ist, aber ich kenne niemanden, der es tun könnte...  Ich bin frustriert, dass ich sie nicht synchronisieren kann..Jedes Mal wenn ich eine der Studies für zwei Player Pianos spiele, passiert etwas anderes. Dies gefällt mir gar nicht. Es ist alles so zufällig...

1992 erwarb der Autor auf Drängen Ligetis einen zweiten Ampico-Selbstspielflügel, der ebenfalls nach Nancarrows Angaben modifiziert wurde und für öffentliche Aufführungen zur Verfügung steht. Mit Hilfe einer Computersteuerung, die gemeinsam mit Horst Mohr und Dr. Walter Tenten entwickelt wurde, gelang es nun erstmals, zwei Player Pianos exakt zu synchronisieren, und anlässlich der Donaueschinger Musiktage 1994 fand die Uraufführung von Nancarrows Study No. 40 für zwei Player Piano

                                                                                 

 Mit Hilfe dieser beiden über Computer synchronisierten Ampico-Selbstspielflügel war es erstmals   möglich, Nancarrows Studies für zwei Player Pianos auf Originalinstrumenten aufzuführen.  Donaueschingen 1994. Foto: J. Hocker

 

György Ligeti - Bewunderer und Förderer Nancarrows

Vergleiche hierzu den Übersichtsartikel Ligeti und Nancarrow

Nancarrows Musik konnte nicht ohne Folgen bleiben: Komponisten wie James Tenney, Tom Johnson, Wolfgang Heisig, Sabine Schäfer, Michael Denhoff,  Daniele Lombardi, Krzysztof Meyer, Steffen Schleiermacher, Gerhard Stäbler, Daniel N. Seel, Georg Hajdu,  Kyoshi Furukawa sowie der Pianist Marc-André Hamelin waren von seinen Kompositionen fasziniert und schrieben ebenfalls Originalkompositionen für Player Piano. Einer der größten Verehrer und Förderer Nancarrows ist György Ligeti, der erstmals 1980 Bekanntschaft mit dessen Player Piano-Stücken machte.

Er schrieb damals spontan an einen Freund:

Im vergangenen Sommer fand ich in einem Pariser Schallplattengeschäft zwei Platten mit Musik von Conlon Nancarrow. Ich hörte die Musik an und war sofort begeistert. Diese Musik ist die größte Entdeckung seit Webern und Ives...  Seine Musik ist überaus originell, lebendig, konstruktiv und gleichzeitig emotional...  für mich ist es die beste Musik eines lebenden Komponisten.

Einem anderen Freund berichtete er überschwänglich:

Ich bestätige mit meiner ganzen ernsthaften Überzeugung, dass Conlon Nancarrow der größte lebende Komponist ist. Wäre J.S.Bach anstatt mit dem protestantischen Choral mit Blues, Boogie-Woogie und lateinamerikanischer Musik aufgewachsen - er hätte wie Nancarrow komponiert. Nancarrow, das ist die Synthese amerikanischer Tradition, der Polyphonie Bachs und der Eleganz Strawinskys - mehr noch - er ist der beste Komponist der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts.

Ligeti gibt freimütig zu, dass er bei der Komposition seiner "Études pour Piano" in hohem Maße von Nancarrow beeinflusst wurde. Während Nancarrow die temporale Vielschichtigkeit seiner Musik mit dem Player Piano verwirklicht, versucht Ligeti, seine Vorstellungen von Polymetrik den Pianistenhänden anzuvertrauen. Dabei geht er oft an die Grenzen des Möglichen - mitunter überschreitet er diese Grenzen auch. So geriet seine vierzehnte Klavieretüde unspielbar. Er widmete sie daraufhin dem Player Piano und schrieb für die Pianisten eine zweite, erleichterte Fassung, allerdings nicht ohne zu vermerken, dass auch die erste Fassung spielbar sei, "bei genügendem Arbeitsaufwand".

Conlon und Yoko Nancarrow mit György Ligeti in der Kölner Philharmonie 1998.

Foto: Jürgen Hocker

Die Bewunderung Ligetis für seinen Komponistenkollegen beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit. Nancarrow erzählte einmal:

Vor ungefähr sechs Monaten bekam ich eine Nachricht aus Deutschland, man würde mir drei Schallplatten mit Ligetis Musik zuschicken. Ich habe sie gerade erhalten, und nach der Verpackung zu urteilen, müssen sie sechs Monate im Laderaum eines Schiffes verbracht haben. Die Musik ist umwerfend. Natürlich war ich zuvor geschmeichelt, dass der berühmte Vordenker der europäischen Avantgarde all diese Dinge über meine Musik gesagt hatte. Ich hatte wenig Kenntnis von seiner Musik, und er hätte aus den verschiedensten Gründen berühmt sein können, so z.B. weil er der erste gewesen sein könnte, der Rülpser und Pupser synchronisiert hat. So ging ich mit einiger Skepsis zu einem Freund, um mir die Musik anzuhören. Ich war regelrecht  überwältigt. Dies sind keine Clownerien à la Cage, sondern es ist höchst originelle und eindrucksvolle Musik. Ich habe seit Bartók und Strawinsky keine solche Begeisterung mehr gefühlt.

Neue Kompositionen für menschliche Interpreten?

Als Nancarrow 1975 einmal gefragt wurde, ob er sich vorstellen könne, wieder für menschliche Interpreten zu schreiben, wies er diese Idee weit von sich.

Ich würde nicht einmal im Traum daran denken. Ich bin vollständig auf das Player Piano fixiert. Ich müsste wieder anfangen zu denken, kann die Hand auch hierhin gelangen; kann sie dorthin gehen? Diese ganzen Beschränkungen. Nein, nein, wenn ich für das Player Piano komponiere, schreibe ich nur Musik; und die Noten stehen hier, dort oder wo auch immer. Ich brauche an nichts anderes zu denken. Es ist ein ausgesprochener Luxus, über all dies nicht nachdenken zu müssen.

Seine wirtschaftliche Situation zwang Nancarrow jedoch, in den achtziger Jahren  Kompostionsaufträge für menschliche Interpreten anzunehmen. So schrieb er z.B. ein Stück für die berühmte Tango-Kollektion des Pianisten Ivar Mikhashoff.

Conlon Nancarrow mit Ivar Mikhashoff während eines Konzertes in Mexico-City 1990.

Foto: Jürgen Hocker

Diese Idee eines Auftrages für live-Klavier gefällt mir gar nicht. Ich bin völlig fixiert und süchtig nach Player Pianos. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie viel Arbeit ich in diesen mehr oder weniger harmlosen "Tango?" investieren musste. Immer musste ich darüber nachdenken, wo nun wohl die Finger sein mögen, nicht zu reden von den Beschränkungen in bezug auf die rhythmischen Schwierigkeiten. Selbst dieses recht simple Stück ist mehr oder weniger an der Grenze der Möglichkeiten. Ivar Mikhashoff meint jedoch, er könne es spielen.

Der Autor hat sich seit über einem Jahrzehnt um die Verbreitung von Nancarrows Player Piano-Kompositionen bemüht und zahlreiche Konzerte in Europa veranstaltet, u.a. in Berlin (im Rahmen der Berliner Festwochen), München, Warschau, Macerata (Italien), Stockholm, Brüssel, Frankfurt, Paris, Karlsruhe, Stuttgart, Bonn, Bremen, Straßburg, Aarhus (Dänemark), Donaueschingen, Den Haag, Baden-Baden, und beim Klavierfestival Ruhr. Nur wenige Wochen vor Nancarrows Tod wurde erstmals Nancarrows Gesamtwerk für Player Piano in sieben Konzertveranstaltungen im Rahmen der MusikTriennale Köln aufgeführt.

Trotz seiner weltweiten Anerkennung lebte Nancarrow auch in den letzten Jahren völlig zurückgezogen mit seiner dritten Frau Yoko in Mexico. Nach mehreren kleinen Schlaganfällen zu Beginn der neunziger Jahre war er nicht mehr in der Lage zu komponieren, und sein Lebenswerk durfte als be- und vollendet betrachtet werden. Nancarrow starb am 10. August 1997 in seinem Heim in Mexico City. Seine „Studies for Player Piano“ - von vielen als das "Wohltemperierte Klavier des 20. Jahrhunderts" betrachtet - werden einen herausragenden Platz in der Klaviermusik unseres Jahrhunderts einnehmen.

Jürgen Hocker©

* Fotomontage von Liborius Born nach Fotos von Heinrich Mehring und Jürgen Hocker.

[1] Es war ein Anliegen des Autors, bei wichtigen Themen Nancarrow selbst zu Wort kommen zu lassen. Die Zitate entstammen persönlichen Aufzeichnungen des Autors, Interviews oder dem umfangreichen Briefwechsel Nancarrows. Aus Platzgründen wurde auf Quellenangaben und auf die Wiedergabe der englischen Originalversionen der Zitate verzichtet.

 

 

Conlon Nancarrow - Composer for Player Piano

Precursor of Computer Music

(Photos and Pictures see German version)

Jürgen Hocker©

Introduction

Ever since musical instruments have existed, people have tried to construct instruments which play by themselves. Thus descriptions of self-playing instruments are to be found in Ancient Greece (Heron’s self-playing organ pipes in Alexandria) and in Araby (the Musa brothers’ automatic flute-player from Bagdad). The oldest surviving mechanical musical instruments are glockenspiels (carillons) of the late Middle Ages. Many composers also discovered the charm of these instruments very early and composed pieces for them; for example, there are works by Händel, C.P.E. Bach, Haydn, Mozart and Beethoven for small self-playing organs which were usually built into the cases of grandfather clocks (so called „flute clocks“). The „music machinist“ Johann Nepomuk Mälzel (today famous for but falsely credited with the invention of the metronome) even created at the beginning of the 19th century a whole self-playing orchestra, the „Panharmonikon“ and Ludwig van Beethoven composed his „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“ op. 91 for this instrument.

In the following 100 years self-playing instruments were largely ignored by composers. It was not until the beginning of the 20th century that self-playing instruments began to reawake interest again as a result of a pioneering invention: in 1904 the firm of Welte in Freiburg succeeded in recording the original performance of a pianist on perforated paper and reproducing it by means of corresponding instruments with all dynamic and agogic details. Many pianists - including many pupils of Liszt - and also several composers used this procedure in order to make their piano-playing accessible to a wide spectrum of the population; and this at a time when it was not yet possible to record the sound of a piano satisfactorily on disc. Thus we posses today perforated music rolls with interpretations by d’Albert, Busoni, Paderewski, Godowsky, Grieg, Reger, Debussy, Ravel and others. Even the brilliant technique of the young Horowitz can again be brought to life in sound by means of perforated rolls.

The firm of Welte in Freiburg, inventor of the reproducing piano and manufacturer of self-playing organs and orchestrions, gave several composers in the 1920s in their „music rooms“ the opportunity to become acquainted with self-playing instruments and „draw“ original compositions on paper rolls. The punching-out of the rolls was then done by experienced members of the firm. In close co-operation with Welte the music committee of the „Kammermusik-Aufführungen zur Förderung zeitgenössischer Tonkunst“ in Donaueschingen decided to dedicate a major part of its events of the years 1926 and 1927 (at the time the venue was temporarily Baden-Baden) to mechanical music. On 16 July 1927 one of the concerts of this chamber-music festival was even dedicated exclusively to „original compositions for mechanical instruments“ (here mechanical piano and mechanical organ). In addition to the Fantasia in F minor for mechanical organ by W.A. Mozart, a Suite for Mechanical Organ by Paul Hindemith, which has since disappeared, and a Study for Mechanical Organ by Ernst Toch were performed. Also represented were Nicolai Lopatnikoff with a Toccata and a Scherzo for mechanical piano and Hans Haass with a 6-voice Fugue, played at breakneck speed, and an Intermezzo. The first part of the Ballet mécanique by George Antheil, which had originally been conceived for 16 (!) self-playing pianos, was performed by one self-playing piano, since the performance of the original version for 16 self-playing pianos raised insuperable synchronisation problems. The same evening Hindemith’s Incidental Music to the Film „Sullivan, Felix, the Circus Cat“ (for mechanical organ) was heard. Before the introduction of sound films mechanical instruments had been of decisive importance for the musical illustration of films. Not only the mechanical organ used at the time, but also several of the original compositions for mechanical instruments have since disappeared.

With the spreading of more efficient and cheaper forms of musical reproduction around 1930 (records, radio, sound films), self-playing musical instruments sank into oblivion more and more, and they would certainly have stayed there if it had not been for that extraordinary but genial musical hermit in Mexico who has dedicated his life’s work to the Player Piano: Conlon Nancarrow. Only a few years ago admired only by some insiders, Nancarrow is today regarded as one of the most significant composers of the twentieth century. In self-chosen musical isolation he created a magnificent oeuvre for this instrument, which really not exists outside of museums.

Nancarrows Way to the Player Piano

Conlon Nancarrow was born the 27th of October 1912 in Texarkana, USA. As a child he took his first, however unsuccessful, piano lessons. He said once: This horrible piano teacher I had at the age of four ‘... Naturally I never learned to play anything.’ Nancarrow, who would later devote his life to the piano, had himself never learnt to play this instrument. He had already discovered in his youth a love for jazz, and learnt to play the trumpet. After finishing the High School in Texarkana he went to the Vanderbuilt-University in Nashville to study engineerings, but he cancelled it after a few weeks. At 17 he visited the Conservatorium in Cincinnati, and there studied theory, composition and trumpet. But this study didn't satisfy him either: ‘...it wasn't what I wanted, so I dropped it. I was looking for something a little less academic.[1]

At the age of 19 he married the music student Helen Rigby, but the two young people divorced a few years later. At 21 he moved to Boston, where he took private lessons with Nicholas Slonimsky, Walter Piston and Roger Sessions. He actually only carried out serious study with Sessions, who taught him counterpoint. And that was the completion of his short musical training. Nancarrow calls himself an autodidactic, acquiring his musical skills through his own efforts, with the help of books and through hearing music. A deciding influence on his musical development was a performance of Stravinsky's 'Rite of Spring' that he witnessed at the age of 17 in 1929: ...well, it was a total revelation. At that time I'd heard practically no contemporary music, and suddenly The Rite of Spring was thrown at me, and it just bowled me over. This was when I was in Cincinnati. I heard it at a concert there, and it just opened up a new world to me.[2]

Stravinsky, Bartók and Johann Sebastian Bach were his favorite composers. Illuminating is Nancarrows record collection, which gives deep information about his musical sources: A huge amount of ethnic music, from Africa, India, Bali, Sumatra, China, Java, Haiti, Brasilia, Cuba and so on. Than an impressive collection of Jazz with Louis Armstrong, Bessie Smith and Jelly Roll Morton. And nearly no recordings from the 19th century music - but music from the 17th, 18th and 20th century.

Nancarrow's first surviving compositions were written in Boston: Prelude and Blues for piano. Although these pieces make high demands on the performer, they can nevertheless be performed by a good pianist.

At 25 Nancarrow decided to join the Abraham Lincoln Brigade in Spain and he fighted against the faschist Franco government. During his two years absence the two compositions Prelude and Blues were published in New Music Edition. The well known composer Aaron Copland wrote about the works in 1938 in Modern Music:

Conlon Nancarrow is a brand new name to me. I first saw it on the January 1938 cover of "New Music", containing a "Toccata" for violin and piano, a "Prelude" and "Blues" for piano alone, all by Mr. Nancarrow. His biography is brief: "Born 1912, Texarkana, Arkansas. Studied at Cincinnati Conservatory for two years. Worked way to Europe in 1936. No job since return. Went to Spain to help fight Fascism. There is nothing to do but hope for his safe return. Otherwise America will have lost a talented composer. In fact, these short works show a remarkable surety in an unknown composer, plus a degree of invention and imagination that immediately gives him a place among our talented younger men.[3]

After Nancarrow's return to the US he went to New York. There he had an experience that convinced him to get rid of the human performers. He had written a Septett which should be performed in New York:

In fact, the septet was played once in New York after I came back from Spain - I think in 1941. In any case, that was one that was played! Actually it wasn't very complicated. It had a conductor. The League of Composers had very good musicians. They got them from studios there, from the radio. There were two rehearsals. For one rehearsal, four came. The second rehearsal, three, and one of the original four. So there wasn't one session with the whole group. And when they played it, a couple of instruments lost their place right at the beginning. All through the piece, they were playing in some other place. Everything was lost, it was a real desaster. [4]

From that time on Nancarrow decided to compose for player piano - a decision reinforced by Henry Cowell's book New Musical Resources - in order not to be hindered by the limitations of a performer in the future.

Nancarrow, who lost his passport in Spain applied for a new one, but he didn’t get a new passport because of his - according to the government of the time - 'undesirable' activities in Spain. That’s why Nancarrow decided to emigrate to Mexico. There he lived for fourty years in musical isolation, without contact to the established music scene in the States or in Europe.

In 1941 he wrote a three movement Sonatina for piano, which was however, at that time, unplayable for a pianist because of its immense speed. Because he wanted to hear it, he arranged it for player piano. It was the first composition he ever punched in a paper roll.

Only once, in 1947 he leaved Mexico for a few months and he travelled to New York, in order to acquire a punching machine. He had been looking for it several weeks and finally he became acquainted with Lawrence Cook, who arranged piano rolls for QRS. Cook borrowed him his hand punching machine so that Nancarrow could have copied this mecanism for punching music rolls. In New York he married his second wife Annette.

In his first years in Mexico Nancarrow was also busy for some time with the idea of operating a percussion orchestra of 88 instruments with a music roll - an idea that couldn't be realised however, because of the enormous technical difficulties.

In 1949 Nancarrow created his first original composition for player piano, which was published in 1951 in New Music Editions. This should be the olny publishing of his player piano compositions for 25 years. Nancarrow still describes his first player piano compositions as rhythmic studies, a title that he later changed to studies. Up to 49 Studies for Player Piano have been composed, some of which are in several movements. Only once Nancarrow tried to organize a concert with his player pianos in Mexico: this was on 30th of July 1962, in Sala Ponce in the Palacio de Belas Artes in Mexico City. After he had gone to the enormous trouble of moving his two pianos to the concert hall only a few audience members turned up, and these were his friends, who more or less already knew his music. Since then, Nancarrow has never been willing to bring his pianos out of his studio again until October 1990, when the author and the composer Julio Estrada convinced him to agree for two player piano concerts at the University of Mexico City.

Possibilities and Limitations of the Player Piano

These instruments were brought on to the market by a number of firms - all instruments functioning, however, on the same principle: a vacuum bellow being powered by a motor, sometimes also by footpedals. All other functions are pneumatically operated by means of vacuum. The piano keys are played with the help of small bellows, which are emptied of air and shut accordingly, in response to a corresponding command on the note roll. If the note is to sound louder, then the bellows are quickly emptied of air. If the note is soft, the air escapes slowly.

The Ampico system, produced by the American Piano Company was the system used by Nancarrow. The note roll is 28.5 cms wide and divided into 98 tracks. These tracks are 'read off' by a tracker bar which also possesses 98 holes, by means of suction. 83 of these tracks control 83 piano notes, from the lowest 'b' to the 4th 'a' above middle 'c'. Just one track controls the left, and one the right pedal. The keyboard is divided into two halves, which can be dynamically controlled, independently of each other. On the one side of the note roll are 6 tracks for controlling the dynamics of the bass half, on the other side the dynamics of the treble half are also controlled by 6 tracks. One track controls the rewinding action of the roll. If a perforation or a string of perforations on the note roll runs across the tracker bar, a key on the piano is struck. When the perforation is closed again the action is ended. A single perforation means a staccato touch, and a row of perforations a long sustained sound. The note roll can only give yes/no instructions, and in this way is an actual digital information-carrier - a predecessor to the computer.

A player piano has much more possibilities than a pianist:

·      Use of the keyboard

A pianist can play at once up to 12 or 15 notes, which must be situated in particular parts of the keyboard. To play the bass, treble and middle of the keyboard at the same time isn't possible without assistance. The player piano can play up to 40 notes at once without the limitations of human fingers.

·      Speed

A practised pianist can play up to 15 notes in succession per second. A player piano offers the possibility of executing up to 200 notes per second. That means we don’t hear single notes but new musical structures as sound aggregates, sound clouds. Furthermore, continual speed changes or different speeds in various lines can be reproduced.

·      Metres and rhythms

A pianist can play 2 different metres at the same time if they are in simple time relationship to each other, such as 2 to 3 or 3 to 5. With more complicated time-relationships he has reached his limitations, as with the reproducing of 3 or more different metres at a time. The same is also valid for extremely complex rhythms. The player piano executes all complicated metres and rhythms with absolute precision. It is to his merit that Nancarrow recognised all these resources and new possibilities, and used them in his compositions. This led to the discovery of totally new sound structures, to the dissolution of single notes and the emergence of sound 'layers'. The greatest significance in Nancarrow's compositions, however, has to do with exact time durations: the temporal relationships like metre, rhythm and speed have absolute priority over melody and harmony.

From the time I started composing, I'd always had this thing of working with temporal matters, rhythm and so forth, and this thing sort of grew. By the time I saw Cowell's book, it was just a big push ahead... I met him once. He asked me for those tapes and I sent them, and I never heard a word from him again. In fact, someone - I forgot who - pointed out that Cowell always talked about these things, polyrhythms and so forth, but neither he nor Ives ever dabbled in player pianos, which would have been the ideal way of doing that. It surprises me that he never did. [5]

In this way, Nancarrow was already using the possibilities of computer music long before there even was a music computer. But the price he had to pay for this was high: for five minutes of music he needed nearly one years work.

Nancarrow's Compositions for Player Piano

The Sonatina, written in 1941 for human player, already shows in the first movement frequent changes of bar and can hardly be played by a pianist. A further example of the high demands made on the performer is an early work written in 1935: the Toccata for violin and piano. The piano accompaniment demands very fast note and chord repetitions. No pianist can perform these repetitions at the prescribed speed without suffering from muscle-cramp. Nancarrow therefore punched the piano accompaniment on to a note roll, and the player piano performs all these difficulties with the greatest of ease. The violin voice is too extremely difficult but can be played by a good violinist.

Nancarrow explained his composing process once in an interview:

Generally, I plan ahead and write all of the Study out first, before beginning the punching. I write it down in such a way, now, that no one could really figure it out, but the first twenty Studies I wrote out in standard notation. There were rhythmic juxtapositions where measures came, but they were standard because of the fixed ratchet principle of the punching machine. Everything was additively related to a small unit. Now, almost all of the Studies I do are in irrational relationships. Of course, I have more or less an idea of what I am going to do and of the whole piece before I do anything: the general plan. I mark out on a blank roll of paper all of the proportional relationships of tempo, using what I think is going to be the smallest (fastest) note value as the unit of measure. Of course, occasionally, if I have to use something even faster, I just go over the roll and put in the smaller values, showing the relations to the basic scale in the score. I mark the whole thing out from the beginning to end on the blank player piano roll. It's quite accurate, I mean, as exact as I can make it. Then I take music paper and I block off the roll according to a basic size (the width of the music paper); next I take the marked proportions from the roll onto the music paper. It is not as exact as the roll, but fairly accurate so that the vertical relationship of tempo units will be more or less what I see graphically on the marked paper. I establish the pattern of temporal relationships before the pitches. The marked out roll has no rhythms, only a series of sixteen notes, or whatever. When I start to write the piece, the melody and rhythm - the harmonic connotation - are all done together. I use melody also in a rhythmic sense, in the sense of accentuating a certain rhythm by contour. But I don't sketch the melodic contours before beginning. I do the melodies and the harmonic relationship all at the same time, on the music paper that is marked out. [6]

Nancarrow's best known player piano composition is his Study No. 21, called Canon X. It’s an example of a continually changing speed in different voices. This composition is strictly two-voiced. The bass voice begins slowly with 4 notes per second. Shortly after, the treble voice enters at the breakneck speed of 39 notes per second. The bass voice accelerates continually, while the treble voice becomes slower. At about the middle of the piece the speeds meet. The bass voice then becomes faster than the treble, and ends in a sound hurricane of 118 notes per second. The volume increases gradually during the piece in the degrees of p through to fff.

Only a few of his player piano compositions can be played by hand:

I just write a piece of music. It just happens that a lot of them are unplayable. I don't have any obsession of making things unplayable. A few of my pieces could be played quite easily -- a few! In fact, Study No. 26, "Canon- 1/1", you could play that with organ, orchestra, or any way. [7]

One of his most impressive compositions is his Study for Player Piano No. 27. Nancarrow mentioned about this Study:

With No. 27 I thought of the whole piece as an ostinato, that I was going to have the exact proportions of sections worked out, before composing it. There would be a certain amount of this and a certain amount of that, but through the whole was going to be an ostinato - that against a constantly shifting acceleration and retarding. In fact, I like to think of the ostinato in that piece as the ticking of an ontological clock. The rest of it - the other lines - wandering around... There are four different percentages of acceleration and ritard that react against the ostinato: 5%, 6%, 8% and 11% ritards and accelerations. Incidentically, that’s the only piece I ever did over again...[8]

An example of different fixed speeds in various voices is Study No. 36. In this 4-voiced canon all 4 voices are absolutely identical - with the exception of the speed. The first voice begins in the bass with the tempo mark 85, followed by the second with tempo 90. The third voice begins with tempo 95 and the last voice, the treble, has tempo 100. The faster voices now follow the slowest voice, and in the middle all 4 voices meet together. Nancarrow's genius is evident in the way that he succeeded in combining these 4 voices into a great compositional unity.

One reason for working  with  the player piano was my interest in temporally dissonant relationships. Temporal dissonance is as hard to define as tonal dissonance. I  certainly would not define a temporal relation of 1 to 2 as dissonant, but I would call a 2 to 3 relation mildly dissonant, and more and more so up to the extreme of the irrational ones. When you use a canon, you are repeating the same thing melodically, so you don't have to think about it, and you can concern yourself more with temporal aspects. You simplify the melodic elements, and you can follow more the temporal material. [9]

For the reproduction of this highly complex compositions Nancarrow prepared the hammers of his player pianos:

In the beginning, I tried various things. The first was called a mandolin attachment. It is a wooden strip with a lot of little leather straps fixed with metallic things that dangle in front of the strings. You can lower or raise the wooden  strip, and I liked the idea that you could have a normal piano or altered sound. Unfortunately, it was a mess, the leather straps were always getting tangled in the strings, especially with loud playing. Then I tried soaking the hammers in lacquer, hardening the felt. That wasn't too bad, but it wasn't what I wanted. I tried various other things; then finally settled on these: one of them has hard-wood hammers with steel straps over them and the other, felt hammers covered with leather in which are embedded the little snaps that are used in clothing. The felt cushions a little, then the leather, and then, that metallic snap. [10]

Against the end of the seventieth Nancarrow became more and more known in Europe and the States. In 1981 he travelled for the first time since more than thirty years for concerts to the States. In 1982 he was invited for concerts in several places in Europe. In this time Nancarrows Studies for Player Piano were performed by a tape, because there was no suitable player piano for these complex compositions all over the world. Since 1987 Nancarrow's player piano music was performed with the authors original Ampico Bösendorfer Grand from 1927 in all important music centers of Europe. The author had the privilege to realise several concerts together with Nancarrow in Europe and Mexico.

One of the most enthusiastic admirer and promoter of Nancarrows music is the composer György Ligeti. When he first heard Nancarrow's player piano music he wrote to a friend:

After the few player piano studies of Nancarrow I listened to, I affirm with all my serious judgement that Conlon Nancarrow is the absolutely greatest living composer. If J.S. Bach had grown up with blues, boogie-woogie and latin-american music instead of the protestant choral, he would have composed like Nancarrow, ie. Nancarow is the synthesis of American tradition, polyphony of Bach and elegance of Stravinsky, but even much more: he is the best composer of the second half of this century.[11]

Nancarrow's Studies for Player Piano are valued meanwhile as the "Well-tempered Piano of the Twentieth Century". Nancarrow died 10 August 1997 at the age of 84 in his home in Mexico City.


[1] Rockwell, John: ‘Conlon Nancarrow - Poet of the Player Piano’, The New York Times. 28 June 1981.

[2] Gagne, Cole, and Tracy Caras: ‘Conlon Nancarrow’ in Soundpieces: Interviews with American Composers. Metuchen, NJ: Scarecrow Press 1982.

[3] Copland, Aaron: Scores and Records, in: Modern Music, Vol. 15, Nov. 1937 - June 1938.

[4] Reynolds, Roger: ‘Conlon Nancarrow: Interviews in Mexico City and San Francisco’, American Music 2/2 (Summer 1984).

[5] Gagne, Cole, and Tracy Caras: ‘Conlon Nancarrow’ in Soundpieces: Interviews with American Composers. Metuchen, NJ: Scarecrow Press 1982.

[6] Reynolds, Roger: ‘Conlon Nancarrow: Interviews in Mexico City and San Francisco’, American Music 2/2 (Summer 1984).

[7] Gagne, Cole, and Tracy Caras: ‘Conlon Nancarrow’ in Soundpieces: Interviews with American Composers. Metuchen, NJ: Scarecrow Press 1982.

[8] Reynolds, Roger: ‘Conlon Nancarrow: Interviews in Mexico City and San Francisco’, American Music 2/2 (Summer 1984).

[9] Reynolds, Roger: ‘Conlon Nancarrow: Interviews in Mexico City and San Francisco’, American Music 2/2 (Summer 1984).

[10] Reynolds, Roger: ‘Conlon Nancarrow: Interviews in Mexico City and San Francisco’, American Music 2/2 (Summer 1984).

[11] György Ligeti to Mario Bonaventura, Letter from 28 june 1980.

 

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